Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist der Leute Verderben. (Sprüche 14, 34)

   

Christi Himmelfahrt

 

Judika

Nach der Auferstehung Jesu am Ostsonntag erschien er 40 Tage lang immer wieder den Jüngern, um sich als lebendig zu erweisen und um vom Himmelreich zu reden (Apostelgeschichte 1, 1-11, heutige Epistel). Dann ist er vor ihren Augen in den Himmel aufgefahren, wie auf dem Altar in St. Martin dargestellt: Christi Himmelfahrt … oder: Als Jesus begann, wieder von Zuhause aus zu arbeiten.

In der Himmelfahrtkapelle auf dem Ölberg in Jerusalem ist der letzte Fußabdruck Jesu auf Erden im Stein zu sehen. Dieser Abdruck ist Sinnbild für den Eindruck, den er unauslöschlich in die Herzen der Apostel und in den Glauben der Kirche geprägt hat. In seiner Himmelfahrt hat Jesus nicht nur sein Erlösungswerk vollendet, sondern auch die menschliche Natur zur göttlichen Herrlichkeit erhoben. Er ist das Haupt seines mystischen Leibes – nämlich der Kirche – und er hat sich zur Rechten des Vaters gesetzt.

Jesus war vom Himmel gekommen und ist nun in den Himmel heimgekehrt, damit hat er uns den Himmel näher gebracht. Er ist vorausgegangen, um auch uns seiner Göttlichkeit teilhaftig zu machen. Im festen Glauben sollen wir tatsächlich dem Geiste nach im Himmel wohnen und mit ganzer Entschiedenheit suchen, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes (Kolosser 3, 1).

Als Christus vor den Augen der Jünger entrückt wurde, sprachen die Engel von seiner Wiederkunft (Matthäus 24, 27 und 30). Und bis dahin gilt, den Missionsbefehl, den Jesus seiner Kirche wie ein Vermächtnis erteilt hat, treu auszuführen und IHN „bis ans Ende der Erde“ (Apostelgeschichte 1, 8) vor aller Welt zu bezeugen.

Schon bei Christi Himmelfahrt war ihm bewusst, dass der Auftrag dieser Zeugenschaft die menschliche Kraft übersteigt und Jesus gebot den Aposteln, die Herabkunft des Heiligen Geistes zu erwarten. Und mit guten Grund bereitet sich nun die Kirche – gemeinsam mit den Aposteln – auf Pfingsten, den Tag der Ausschüttung des Heiligen Geistes, vor.

Ein Pfarrer schreibt im Religionsunterricht das Wort „Himmel” an die Tafel und sagt zu den Schülern: „Nennt mir bitte Sätze, in denen das Wort ,Himmel‘ vorkommt”. Die Schüler nennen folgende Sätze: „Der Himmel ist blau.”, „Am Himmel ziehen Wolken.”, „Vom Himmel regnet es.” Schließlich formuliert ein Schüler auch folgenden Satz: „Nach dem Tod kommen wir in den Himmel.” Und schon werden weitere Sätze in den Raum gerufen: „Gott ist im Himmel.” „Jesus ist im Himmel.” usw.

Der Pfarrer fragt: „Ist euch aufgefallen, dass wir das eine Wort ,Himmel‘ gebrauchen und doch zwei ganz verschiedene ,Dinge‘ meinen?” Nach einigem Überlegen antwortet ein Schüler: „Einmal meinen wir den Himmel, den wir mit diesen Augen sehen können, das andere Mal meinen wir den Himmel, den wir nur mit den Augen des Glaubens sehen können.” – Die Antwort gefällt dem Pfarrer: „Ja, den einen Himmel können wir sehen und leicht beschreiben: Es ist der Himmel über uns. Er ist manchmal blau, manchmal auch grau und wolkenverhangen. In der Nacht sehen wir viele Sterne am dunklen Himmel funkeln. Aber wie ist es mit dem ,anderen Himmel‘? Wie können wir den beschreiben? Wie sieht der aus?”. Er schlägt den Schülern vor: „Erinnert euch bitte einmal, wie das war, als ihr euch einmal, wie im siebten Himmel‘ gefühlt habt! Wie ging es euch dabei und was war der Grund dafür?” – Die Antworten kommen schnell: „Da war ich glücklich!”, „Da habe ich eine große Freude erlebt!”, „Da hatte ich ein besonders schönes Erlebnis!”, „Da war ich mit guten Freunden zusammen – oder mit meinen Eltern.”.

Das sind Beschreibungen dieses „anderen Himmels”! Wenn wir von diesem Himmel sprechen, dann meinen wir: Da bin ich glücklich, da bin ich froh, da weiß ich mich geliebt und angenommen. Himmel in diesem Sinn, das ist der Ort, wo ich ganz ich selbst sein darf, angenommen und geliebt. In diesem Himmel lebt Jesus: Das und nichts anderes feiern wir Christen heute am Fest Christi Himmelfahrt. Jesus, der auf dieser Erde gelebt hat, der den Menschen die Botschaft von der Liebe Gottes verkündet hat; Jesus, der Menschen mit seiner Liebe gesund und froh gemacht hat; dieser Jesus, der schließlich am Kreuz getötet wurde, dieser Jesus lebt jetzt ganz in der Liebe Gottes.

Eigentlich war Jesus schon immer in diesem Himmel, weil er sich immer, auch auf dieser Erde, von Gott geliebt und angenommen wusste. Jetzt aber ist er es endgültig. Jetzt kann ihn nichts mehr trennen von der Liebe Gottes. Darum wird uns im heutigen Evangelium (Lukas 24, 44-53) auch erzählt, dass die Jünger „in großer Freude” vom Ölberg in die Stadt zurückkehrten, nachdem Jesus zum Himmel emporgehoben wurde. Dass Jesus im Himmel ist, das ist kein Grund zur Trauer. Es ist ein Grund zur Freude. Denn wenn Jesus in diesem Himmel lebt, wenn er also Gott ganz nahe ist, dann ist er uns Menschen nicht fern. Dann ist er auf eine neue Weise nahe, auf eine Weise, die wieder nicht mit diesen Augen, aber mit den Augen des Herzens, mit den Augen des Glaubens zu erkennen ist. „Brannte uns nicht das Herz, als er uns unterwegs die Schrift erklärte?” So sagten die beiden Jünger, die nach Emmaus unterwegs waren. – Brannte uns nicht das Herz bei diesem oder jenem Gottesdienst, bei dieser Begegnung oder jenem Gespräch, bei dem oder jenem Ereignis in unserem Leben? – „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.” (Matthäus 28, 20). Auch dieses Wort Jesu gehört zum Fest Christi Himmelfahrt.

Jesus ist beim Vater, er ist Gott ganz nahe, er lebt ganz in seiner Liebe. Das ist die eine Seite dessen, was es bedeutet, dass er „im Himmel” ist. Die andere Seite davon bedeutet: Jesus ist auch uns nahe: in unserem Herzen, in unserer Gemeinschaft, beim Beten, beim Gottesdienst, in Gesprächen, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, und selbst dann, wenn wir es nicht ahnen. Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt.

So beginnt Kirche: Die Jünger Jesu, erfüllt von diesem Wissen – Jesus in Gottes Liebe und uns ganz nahe –, diese Jünger kehren in großer Freude nach Jerusalem zurück. Sie preisen Gott – und sie werden zu Zeugen dieses Jesus: Er ist der entscheidende Mensch! Wer auf ihn vertraut, und wer lebt wie er, der kommt auch in den Himmel, der lebt schon jetzt in der Liebe Gottes – und einmal in der Vollendung. Heute werden wir eingeladen, unser Leben wieder neu unter diesem Vorzeichen zu sehen. Deshalb haben wir Grund zur Freude und können Gott preisen! Und so wird unser Leben zum Zeugnis für diese frohe Botschaft: Jesus – in der Liebe Gottes – er ist uns ganz nahe.