Invokavit |
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Der lateinische Name des Sonntags stammt aus den letzten Versen des heutigen Psalms (Psalm 91, 15): „Invicabit me, et ego exaudiam eum; eripiam eum, et glorificabo eum“ - „Ruft er mich an, so will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn befreien und zu Ehren bringen.“. Der Sonntag Invokavit steht unter dem Thema Versuchung. Nach dem Aschermittwoch ist der Sonntag Invokavit das zweite Eingangstor in die Fasten- und Passionszeit. In der frühchristlichen Kirche wurden an diesem Sonntag die Taufbewerber versammelt, die in der Osternacht das Sakrament der Taufe empfangen wollten. Um den tieferen Sinn der Lesungen und Lieder dieses Sonntages zu verstehen, ist es gut, sie mit dem Herzen der Taufbewerber aufzunehmen und sich diesen zur Erneuerung der eigenen Taufgnade geistigerweise anzuschließen. Das Urpaar Adam und Eva aus des heutigen alttestamentlichen Lesung (1. Mose 3, 1-24) erliegen der Versuchung, Gott selbst erliegt der Versuchung, als er Satan gestattet, Hiob zu testen (Hiob 2, 6), und Judas erliegt der Versuchung, als er Jesus verriet (Matthäus 26, 14-16). Die heutige Epistel (Hebräer 4, 14-16) stellt uns einerseits mit Jesus gleich: auch er ist versucht worden, wie wir versucht werden. Andererseits grenzt sie uns von Jesus ab, denn er ist ohne Sünde geblieben. Dabei findet das Verbot Gottes, vom Baum der Erkenntnis zu essen, aus der alttestamentlichen Lesung ihr Pendant in der Kindererziehung: Das Verbot etwas nicht zu tun, lenkt das Denken erst auf die Sache und macht sie interessant. Sodass uns dieses Hin- und Hergerissensein wohlbekannt ist. Das Ergebnis der Missachtung von Gottes Verbot war und ist ein mühevolles und dornenreiches Leben auf Erden außerhalb des Paradieses. Und dennoch blieb ihnen und uns Gottes Barmherzigkeit, Gnade und Liebe. Von diesen zwei Seiten spricht auch der heutige Psalm 91 (Verse 1-12) und Paulus in seinem Brief an die Korinther (2. Korinther 6, 9-10). Wir sind von Engeln behütet und dennoch den Gefahren der Jäger, der Pest und den Grauen der Nacht ausgesetzt. Ebenso sind wir Sterbende, die ewig leben, Traurige, die fröhlich sind, wir sind arm und haben dennoch alles. Es gibt das Paradies und dennoch wachsen Dornen und Disteln hinein. Unsere Mühen werden belohnt durch die Ernte, Kinder werden geboren und Menschen sterben, Arbeitstage laufen auf Feste und freie Tage zu. Beide Seiten gehören zu unserem Leben. Voller Gottvertrauen beten wir daher Psalm 91. Er ist Ermunterung in der Fastenzeit uns dem Herrn hinzugeben, damit wir Gottes Gnade nicht vergeblich empfangen haben (2. Korinther 6, 1). In der Fastenzeit ergreifen wir mit den Taufbewerbern die Waffen der Gerechtigkeit und gehen – wie im heutigen Evangelium (Matthäus 6, 1-11) – mit Jesus in die Wüste. Hier und auch später im Ölgarten (Lukas 22, 43) treten die Engel hinzu und dienen ihm. Unter der Obhut dieser Engel stehen auch wir als Diener Gottes voller Vertrauen und Zuversicht: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen.“ (Psalm 91, 11-12). Dies ist eine der beliebtesten Vertonungen eines biblischen Textes; Felix Mendelssohn-Bartholdys Motette.
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